Januar 22, 2025

Saigels Irr(e)lichter – wie viel verkraftet dein Leser?

Von unserer Autorin Saigel

Immer wieder gerate ich beim Schreiben an den Punkt, an dem ich mich frage, ob das, was ich aufgeschrieben habe, überhaupt für andere verständlich ist. Für mich ist es glasklar: Ich habe einen Gedanken, während ich schreibe. Allerdings stellt sich mir die Frage, wie viel Erklärung mein Leser braucht, um den Gedanken, der mich zum Schreiben brachte, auf dieselbe Art und Weise fassen zu können wie ich.

Dann frage ich mich weiter, ob es überhaupt nötig ist, dass mein Leser einen klaren Text vor sich hat, der nur eine Art der Interpretation zulässt. Ist es nicht das, was das Lesen für uns alle so schön macht? Eigene Gedanken zu entwickeln, Ansichten des Autors entweder anzunehmen oder abzulehnen, oder sich Teile davon herauszunehmen und ein anderes, stimmiges Bild herum zu bauen?

Dennoch hat etwas Grundlegendes an einem Text nicht funktioniert, wenn der Leser sich weder seine eigenen noch die Gedanken des Autors machen kann. Natürlich kann das auch daran liegen, dass sich der Leser nicht auf den Text einlassen konnte. Die Gründe hierfür sind vielseitig und für den Autor undurchdringbar. Manch einer legt den Text weg, weil er schlicht in keinerlei Hinsicht seinem eigenen Geschmack entspricht. Ein anderer beendet seine Lektüre aus persönlichen Gründen. Vielleicht ist es das Thema, mit dem sich der Leser zu diesem Zeitpunkt nicht auseinandersetzen möchte. Oder es ist die Aussage des Textes, der der Leser sich nicht zuwenden möchte. Jedoch können noch völlig andere Beweggründe vorliegen, individuelle Mischformen aus vielen Antrieben, die oft dem Leser selbst nicht immer bewusst sein können.
Kann sich jedoch keiner der Leser einen Reim auf den Text machen, sollte sich der Autor wohl an die eigene Nase fassen. An diesem Punkt befinde ich mich immer wieder. Einmal habe ich an Informationen gespart, die zwar für mich selbstverständlich, für den Leser allerdings nicht zu erraten waren. Ein anderes Mal habe ich mich zu sehr hinreißen lassen und das Spiel mit der Sprache derartig ausgereizt, dass mein erschlagener Leser nicht mehr hinter diesen Wall von Worten spähen konnte. Das nächste Mal habe ich beides in einem Text vereint und kann es dennoch selbst beim Schreiben nicht so sehen, denn meine Gedanken sind für mich vollkommen klar …

Der Sprung vom Hobbyautor in die Professionalität sehe ich unter anderem genau an dieser Stelle. Ein Autor, der sich verständlich machen kann, der viele, wenn nicht sogar alle seine Leser auf die eine oder andere Weise erreicht, hat eine wertvolle Gabe. Bis jetzt habe ich für mich noch keine Regeln diesbezüglich festlegen können. Manchmal erreiche ich die Leser, manchmal nicht. Oft funktioniert es dann mit nachträglichen Erklärungen. Allerdings sehe ich hierin keine Lösung für das Problem.

Wie so oft beim Schreiben, behandle ich die Thematik als abstrakt. Sie scheint mir oft mehr Gefühl als Regelbefolgung zu sein, da zu viele unbekannte Größen jeden Fall anders aussehen lassen und allgemein gültige Leitlinien wohl nur bedingt greifen können. Ich hoffe, das entmutigt niemanden, der das hier liest. Ich, als absoluter Meister im unklaren Ausdruck habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, irgendwann einen gangbaren Weg für mich zu finden. Das ist das Schöne am Schreiben.

Eure Saigel (mehr von Saigel findet Ihr im Schreib-Forum)

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